Kaum etwas bewegt die Marktakteure derzeit mehr als die Frage, ob der Immobilienmarkt nach den Verwerfungen der Zinswende und der Multikrisen inzwischen den Boden erreicht hat. Vor diesem Hintergrund dürfte die Meldung des Immobilienberaters CBRE, dass sich aufhellende Rahmenbedingungen für den Handelsimmobilien-Investmentmarkt abzeichnen, bei den Marktakteuren gut ankommen.
Abzulesen ist das an der Stabilisierung der Spitzenrenditen seit Jahresbeginn. Konkret erwartet inzwischen die deutliche Mehrheit (71%) der für die 19. Ausgabe des Hahn Retail Real Estate Reports befragten Branchenexperten und Bankenvertreter, dass die Nettoanfangsrenditen für Handelsimmobilien bis zum Jahresende 2024 auf dem bestehenden Niveau bleiben werden.
Das ist ein deutlicher Aufwärtstrend, denn im vergangenen Jahr glaubten das nur 18%. Im Gegenzug ist der Anteil der Befragten, die mit weiter steigenden Renditen rechnen, von 72% im Vorjahr auf nunmehr 19% in diesem Sommer gesunken. Mit einer Trendumkehr rechnen unverändert nur noch 10% der Branchenexperten.
Da jedoch nicht alle Asset-Klassen – insbesondere im Segment Handelsimmobilien – über einen Kamm geschoren werden können, lohnt auch der Blick auf die unterschiedlichen Objekttypen. So erwarten jeweils 42% der Befragten laut Report, dass bei Shopping-Centern und Büroimmobilien bis zum Jahresende durchaus noch mit steigenden Renditen zu rechnen ist. Allerdings glaubt bei Einkaufszentren auch gut ein Drittel der Befragten (34%), dass die Renditen stabil bleiben und 24% können sich auch vorstellen, dass sie fallen. Das spricht dafür, dass Einkaufszentren nicht als homogene Einheit wahrgenommen werden, sondern dass die einzelnen Objekte durchaus unterschiedlich bewertet werden.
Eindeutiger ist in diesem Kontext die Bewertung bei Fachmärkten und Fachmarktzentren, die von ihrer resilienten Ausrichtung auf die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs profitieren. So ist hier die Mehrheit davon überzeugt, dass mit stabilen bis stagnierenden Renditen der Boden erreicht sein dürfte. 65% sind das bei Fachmarktzentren, 63% bei Supermärkten und Discountern, 54% bei den großflächigen Verbrauchermärkten und SB-Warenhäusern und 51% bei Bau- und Heimwerkermärkten. Ins Auge springt dabei, dass bei Mixed-Use-Objekten, die aktuell sehr im Trend liegen, sogar 71% der Befragten davon ausgehen, dass die Renditen stabil bleiben werden.
Befragt wurden in diesem Jahr mit 41 zwei Branchenexperten mehr als im vergangenen Jahr, wobei Asset- und Fonds-Manager mit einem Anteil von 39% und Vertreter von Banken und Finanzinstituten mit 27% die stärksten Gruppen bildeten. Auf Pensionskassen, Versorgungswerke und Stiftungen entfielen 15%.
Stabilität und Sicherheit prägen die Strategie
Dass derzeit vor allem Stabilität und Sicherheit die Investitionsstrategie prägen, liegt angesichts der trotz allem noch vorherrschenden Unsicherheit auf der Hand. Laut Hahn-Report werden derzeit risikoaverse Investments bevorzugt. So ist der Anteil der Investoren, der sich auf Core-Immobilien fokussieren will, gemessen am Vorjahreszeitraum weiter von 68% auf 78% gestiegen. Und 63% können sich auch vorstellen, in Core-Plus-Objekte zu investieren. Es gibt aber auch immer noch die Anleger (24%), die auch jetzt noch Value-Add-Produkte ins Auge fassen. An opportunistische Investments trauen sich derzeit allerdings nur noch 5% der Befragten heran. 2018 hatte ihr Anteil noch bei gut 40% gelegen und der Anteil der Value-Add-Anleger bei 45%.
Dabei kommt es nicht überraschend, dass im Segment Handelsimmobilien lebensmittelgeankerte Objekttypen mit sicheren Cashflows ganz oben auf der Liste stehen – allen voran Fachmarktzentren, die von 88% präferiert werden. Das korrespondiert mit den Wünschen vieler Einzelhändler, für die Fachmarktzentren derzeit der Standort der Wahl sind. Es folgen auf der Präferenzlist der Anleger mit jeweils 63% der Nennungen Supermärkte und Lebensmitteldiscounter sowie Verbrauchermärkte und SB-Warenhäuser. Bau- und Heimwerkermärkte stehen mit 25% auf dem vierten Platz.
Gesondert befragt nach ihren Präferenzen wurden in diesem Jahr auch die Banken und Finanzinstitute, die sich mit 80% der Nennungen auch für Fachmarktzentren aussprachen. Auf Supermärkte und Discounter entfielen hier aber nur 40% der Nennungen, genauso wie auf innerstädtische Geschäftshäuser in Top-Lagen. Auf dem vierten Platz finden sich bei Banken und Finanzinstituten SB-Warenhäuser und Verbrauchermärkte zusammen mit Mischobjekten. Der Vergleich mit den Präferenzen der Investoren zeigt indessen, dass die Gewichtungen zum Teil doch recht unterschiedlich ausfallen.
Erfreulich für die Immobilienbranche ist laut Hahn-Report jedoch, dass die befragten Banken und Kreditinstitute mit Blick auf „ihre Finanzierungsstrategie für deutsche Handelsimmobilien in den kommenden zwölf Monaten durchweg optimistisch gestimmt“ sind. So prognostizieren inzwischen 45% der Befragten einen moderaten Anstieg des zu investierenden Kreditvolumens, nachdem es im vergangenen Jahr mit 29% noch deutlich weniger waren. Damit sei der leichte Abwärtstrend aus den Vorjahren vorerst beendet, heißt es im Report.
Allerdings ist auch der Anteil der Banken von 14% auf 36% gestiegen, der eine abwartende Strategie verfolgt und das Kreditvolumen zunächst auf dem bisherigen Niveau halten will. Erfreulich ist aber auch, dass unverändert kein Finanzinstitut das Kreditvolumen im Segment Handelsimmobilien senken will.
Doch obwohl sich die Lage etwas zu entspannen scheint – nicht zuletzt die Zinssenkungen durch die EZB dürften dazu beitragen – wird der Investmentmarkt auch 2024 überwiegend von einer abwartenden Haltung geprägt. Dafür spricht, dass der Anteil der Investoren, der in den nächsten zwölf Monaten im Segment Handelsimmobilien moderat zukaufen will, deutlich von 50 auf 20% gesunken ist. Gleichzeitig ist der Anteil der Investoren deutlich von 31 auf 53% gestiegen, der das Niveau der Handelsimmobilien in seinem Portfolio bis zum Jahresende stabil halten will. Aber auch der Anteil der Befragten, der einen Teil seines Handelsimmobilienbestands moderat abverkaufen will, ist von 6% auf 17% gestiegen. Einen größeren Abverkauf plant aber offenbar niemand.
Abwartende Haltung prägt den Investmentmarkt
Als größte Herausforderung und maßgebliche Risikofaktoren bei der Investition in Handelsimmobilien sehen die Investoren mit 71% der Nennungen „die generell steigenden regulatorischen Vorgaben sowie die energetischen Anforderungen an die Immobilie“. Damit eng verbunden seien ESG-Initiativen, Benchmarkings und Zertifizierungen, die für 80% der Investoren einen großen Einfluss auf ihre Entscheidung haben. Für 66% der Befragten ist die kontinuierliche Umsetzung energetischer Maßnahmen inzwischen unverzichtbar und bei 44% ist die Integration von Green Lease Vereinbarungen im Mietvertrag schon fester Bestandteil.
Dagegen hat die Sorge über die Zinsentwicklung mit 51% der Nennungen gegenüber dem Vorjahr mit 77% etwas nachgelassen, nachdem sich das Zinsniveau nicht zuletzt durch das Ende der Zinserhöhungen im Vorjahr inzwischen stabilisiert hat. Auch die belastenden Folgen durch die hohen Inflationsraten werden nur noch von 29% der Befragten – nach 36% im Vorjahr – als Herausforderung gesehen. Gestiegen ist dagegen wieder die Unsicherheit über die Folgen des eCommercefür den stationären Einzelhandel. Hier stieg die Zahl der Nennungen von 33 auf 49%.
In dem aktuellen Umfeld, in dem die Investoren selektiver agieren, hat sich nach Einschätzung der Befragten der besondere Stellenwert des Investmentstandorts Deutschland laut Report im Vergleich zu anderen Investmentmärkten leicht abgeschwächt. Nach 31% im Vorjahr wird der deutsche Handelsimmobilien-Investmentmarkt im internationalen Vergleich nur noch von 27% als überdurchschnittlich attraktiv eingestuft. Und der Anteil, für den Deutschland gemessen an anderen europäischen Märkten gleich attraktiv ist, hat sich von 56% auf 46% vermindert.