Vermietungsmarkt Logistik

Angebot und Nachfrage vielerorts noch nicht im Gleichgewicht

Schwächere Nachfrage im eCommerce. Foto: DHL

rv DÜSSELDORF. Nach der Eintrübung des Vermietungsgeschäfts im Industrie- und Logistikimmobilienmarkt im zweiten Halbjahr 2022 und einem schwachen Start in der ersten Jahreshälfte 2023, zeigte sich das dritte Quartal unerwartet lebhaft – allerdings mit sehr unterschiedlichen Tendenzen in den verschiedenen Segmenten. So macht sich das Ende des Corona-bedingten Höhenflugs im eCommerce – lange Treiber der Flächennachfrage – auch im Logistikmarkt bemerkbar.

Dass dennoch im dritten Quartal mit 1,7 Mio. qm ein für 2023 ungewohnt hohes Vermietungsvolumen erreicht wurde, lag nach Feststellung des Immobilienberaters CBRE an dem starken Abschneiden der Produktionsunternehmen: Namentlich handelte es sich um die Anmietung eines 260 000 qm großen Neubaus durch Daimler Trucks in Halberstadt und um die Anmietung eines 210 000 qm großen Neubaus in Salzgitter durch VW. Das waren gleichzeitig die beiden größten Vermietungsabschlüsse im eher schwierigen Jahr 2023.

„Das Umsatzgeschehen hat sich nach dem schwachen ersten Halbjahr im dritten Quartal wieder normalisiert und damit die Vier-Millionen-Quadratmeter-Hürde genommen“, konstatiert Rainer KoepkeHead of Industrial & Logistics bei CBRE in Deutschland, mit Blick auf die Tatsache, dass in den ersten neun Monaten doch noch ein Vermietungsumsatz von 4,07 Mio. qm erreicht wurde.

Das ist gegenüber dem Rekordjahr 2022 zwar ein Rückgang von 38% und auch der zehnjährige Durchschnitt in der Branche wurde um 19% unterboten, doch wurde laut CBRE damit immer noch ein Niveau erreicht, das bis zum Jahr 2015 – bevor der Run auf Logistikimmobilien einsetzte – nur in Ausnahmefällen erreicht wurde. Laut Koepke sind aber Angebot und Nachfrage in den meisten Regionen immer noch nicht im Gleichgewicht, da trotz der durchaus schwächeren Nachfrage vor allem im Handel und im eCommerce das Flächenangebot dem Mieter oder dem Eigennutzer keine große Auswahl lässt. Blickt man nur auf die fünf Top-Regionen, dann ging das Flächenvolumen sogar um 45% auf eine Million qm zurück.

Nicht zuletzt die beiden großen oben erwähnten Anmietungen haben dazu geführt, dass im Segment Produktionsunternehmen der Flächenumsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 17 Prozentpunkte auf 40% des gesamten Umsatzvolumens gestiegen ist. Laut Koepke handelt es sich hier aber nicht immer um Produktionsflächen, sondern häufig auch um klassische Logistikflächen wie im Fall Daimler Trucks. Das Unternehmen war nach der vereinbarten Abkoppelung vom Mutterkonzern gezwungen ein eigenes Logistiknetz aufzubauen. Dagegen zeigt sich aus Koepkes  Sicht, das vielfach diskutierte Reshoring von Produktionskapazitäten, das heißt die Rückverlagerung von Produktionskapazitäten nach Deutschland, in der Praxis noch eher selten.

Verbessert haben sich laut Marktbericht auch Logistikunternehmen – und zwar um einen Prozentpunkt auf 28% des Flächenvolumens, obwohl sie einen absoluten Rückgang ihres Flächenumsatzes von 38% hinnehmen mussten. In der aktuellen Marktlage ist halt vieles relativ. Die schwächere Performance des Logistikvermietungsmarkt geht aber vor allem einher mit der Schwäche der Handelsunternehmen einschließlich des Online-Handels, den früheren Treibern des Marktes. Hier ging der Flächenumsatz laut CBRE um fast 70% zurück, so dass der Anteil am Umsatzvolumen um 20 Prozentpunkte auf 19% regelrecht eingebrochen ist. Der Grund ist, dass die Logistik-Überkonjunktur, die während der Corona-Pandemie durch den wachsenden eCommerce und durch den Aufbau von Pufferlagern entstanden war, nun zu Ende ist.

Angesichts des knappen Flächenangebots sind jedoch die Spitzenmieten weiter gestiegen, in den Top-5-Märkten laut CBRE um 13,4% auf durchschnittlich 8,19 Euro je qm und Monat. Der Immobilienberater JLL registrierte auf allen 19 von ihm untersuchten Logistikmärkten bei Objekten mit mehr als 5 000 qm Mietsteigerungen gegenüber dem Vorjahresquartal. Gemessen am Vorquartal konnten in zehn der betrachteten Märkte allerdings keine Aufwärtsbewegungen mehr registriert werden.

Die Logistik-Überkonjunktur durch die Pandemie ist zu Ende

Die höchste Spitzenmiete ermittelte JLL im dritten Quartal mit durchschnittlich 10,70 Euro (+26%) erwartungsgemäß für München, gefolgt von Düsseldorf mit 8,75 Euro je qm (+30%) und Stuttgart mit 8,50 Euro je qm und Monat. Die stärksten Anstiege verzeichnete der Berater dabei in der Metropolregion Rhein-Ruhr, wo die Spitzenmieten in Essen gemessen am Vorjahreszeitraum um 30% zulegten, in Duisburg um 29%, in Bochum um 22%, in Dortmund um 15% und in Köln um 14%. In Nürnberg lag der Preisanstieg bei 23%.

Die Entwicklung gerade in der Metropolregion Rhein-Ruhr führt Sarina SchekahnHead of Industrial & Logistics Agency bei JLL Germany, auf die starke Infrastruktur der Region mit Häfen, Schienen- und Straßenanbindungen in verschiedenen Branchen zurück. Hinzu komme, dass sich viele Endkunden vor Ort befinden, so Schekahn: „Der auch dort vorherrschende Flächenmangel und die wenigen spekulativen Entwicklungen haben den Marktpreis bestimmt – die hohe Nachfrage führt zu steigenden Mieten.“

Beim Blick auf die nächsten Monate konstatiert Koepke, dass „die Überkonjunktur der Jahre 2021/2022 infolge des Booms im Onlinehandel“ vorbei ist. Mit Blick auf die schwache Konjunktur, den niedrigen Leerstand, den Trend zu mehr Mietvertragsverlängerungen auf Grund der stark gestiegenen Mieten, weniger spekulativen Neubauten und einem knappen Grundstücksangebot erwartet er für das Jahr 2023 einen Flächenumsatz am Industrie- und Logistikimmobilienmarkt in der Bandbreite von 5 Mio. bis 5,5 Mio. qm. Das liege immerhin über dem Zehnjahresdurchschnitt der ersten drei Quartale, so Koepke.

Nach den Worten von JLL-Direktorin Schekahn erlebt der Markt gegenwärtig einen Nachfrageshift: „Während sich die Branchen eCommerce, Möbel und Mode aktuell eher zurückhalten, wächst die Nachfrage aus den Branchen Pharma und Automotive“, zählt die Expertin auf. Zudem erforderten die Parallelproduktion von Verbrennern und Elektroautos sowie die After-Sales-Aktivitäten mehr Fläche und die Produktion sowie die Lagerung von Batterien seien mit deutlich höheren Anforderungen an die Gebäudeausstattung verbunden.

Mit Blick auf die geringe Verfügbarkeit von Flächen und die hohen Energiekosten in Deutschland könnten Produzenten aus ihrer Sicht die Standorte welt- und vor allem europaweit diversifizieren: „Für den Wirtschaftsstandort Deutschland wäre das kein gutes Zeichen“, so Scheckahn.