Einzelhandelsimmobilien sind im ersten Quartal 2024 am besten aus den Startlöchern gekommen, so dass von einem verheißungsvollen Auftakt gesprochen werden kann. Getragen wird der Investmentmarkt bislang vor allem von einigen wenigen Großdeals. Der Markt hofft nun, dass sich der gute Auftakt im Jahresverlauf verstetigt.
„Auf den Investmentmärkten löst sich mit dem Jahresbeginn langsam die Schockstarre“, beschreibt Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany und Head of Markets, die Lage auf dem deutschen Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien: „Allerdings schlägt sich das aktuell noch nicht in den Zahlen nieder, da Transaktionen im aktuellen Marktumfeld bis zum Abschluss viel Zeit benötigen.“ Mit 5,2 Mrd. Euro liegt das Transaktionsvolumen bei Gewerbeimmobilien laut Savills in etwa auf dem schwachen Niveau des Vorjahresquartals. Wichtig ist laut Kortmann aber, dass sich Verkäufer und Käufer bei der Preisfindung annähern und nach dem vorläufigen Ende des Zinserhöhungszyklus das Zinsniveau zunächst konstant ist und bei den Banken eine gewisse Stabilität herrscht. In diesem Umfeld sind vor allem bei Logistik und Industrie sowie bei Handelsimmobilien wieder vermehrt Aktivitäten zu beobachten.
Der Immobilienberater CBRE spricht denn auch von einem „verheißungsvollen Auftakt“ auf dem hiesigen Einzelhandelsimmobilienmarkt, nachdem das Transaktionsvolumen im ersten Quartal 2024 mit 1,7 Mrd. Euro um 15% über dem Vorjahresniveau liegt und die Asset-Klasse den deutschen Immobilieninvestmentmarkt als dynamischstes Segment anführt. Nach Einschätzung von Jan Schönherr,Head of Retail Investment bei CBRE, haben sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern weiter angenähert, die Verkaufsbereitschaft sei gestiegen, die Buchwerte seien entsprechend der Marktentwicklung weiter angepasst worden und Handelsimmobilien stünden bei vielen Investoren auf dem Einkaufszettel.
Auch BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) stellt in seiner Marktanalyse fest, dass Handelsimmobilien im Asset-Klassenvergleich Anfang 2024 am besten aus den Startlöchern gekommen sind. Die Hoffnungen auf verbesserte Marktbedingungen und die weit fortgeschrittenen Preisfindungsprozesse haben das Investmentvolumen nach Ermittlung des Beraters sogar auf 1,97 Mrd. Euro und einen Anteil am Investmentvolumen mit Gewerbeimmobilien von knapp 36% steigen lassen, nah an der 2 Mrd.- Euro-Marke, die etwa den Durchschnittswert der vergangenen fünf Jahre abbildet.
Ähnlich wie nach der Finanzkrise 2008/2009 fassen Retail Assets offenbar wieder als erste Fuß. Dass dieses gute Ergebnis aber vor allem auf drei größeren Transaktionen – darunter zwei Verkäufe aus einer Insolvenz – basiert, veranlasst Savills, Wasser in den Wein zu gießen. Denn ohne diesen Sondereffekt wäre das Transaktionsvolumen demnach so niedrig ausgefallen wie zuletzt in der Krise 2010 und der Berater begründet diese Einschätzung mit der niedrigen Zahl von nur 44 Transaktionen in den ersten drei Monaten, dem niedrigsten Wert seit Beginn der Savills-Aufzeichnungen. Nur 2009 gab es ein Quartal mit weniger Deals. Vor diesem Hintergrund schließt Savills nicht aus, dass die Talsohle auch bei Retail Assets noch nicht ganz erreicht ist.
Zu geringes Angebot belastet Transaktionsmarkt
Peter Hablizel, Director Investment bei Savills Germany, weist aber auch darauf hin, dass ein vergleichsweise geringes Angebot der Grund für die wenigen Transaktionen sein könnte. Denn die Gespräche auf der MIPIM hätten gezeigt, „dass trotz der geringen Aktivität Geld für Ankäufe in allen Risikoklassen vorhanden ist“. Diese Divergenz unter den Immobilienberatern über die aktuelle Phase, in der sich der Investmentmarkt für Retail Assets befindet, nährt auch die Einschätzung von Ulf Buhlemann, Head of Retail Investment Germany bei Colliers, dass auch bei Einzelhandelsinvestments „die Bodenbildung in die Verlängerung geht“. Für Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNPPPRE GmbH und Head of Retail Services, zeigen diese Deals andererseits aber auch, dass Großtransaktionen vereinzelt wieder möglich sind.
Bei den drei Transaktionen handelt es sich um den Verkauf des Münchener Luxusensembles Maximilianstraße 12-14 durch die insolvente Centrum Holding für deutlich über 250 Mio. Euro an einen von der Commerz Real vertretenen Privatanleger, den Verkauf der Fünf Höfe in München an die Hexal-Gründer Andreas und Thomas Strüngmann und den Verkauf des Anteils, den die Centrum Gruppe am Geschäftshaus KII in Düsseldorf hält, an den Miteigentümer B&S. Da Colliers und JLL diese großen innerstädtischen Transaktionen dem Segment „Mischobjekte“ zuordnen, weisen sie für das erste Quartal 2024 nur ein Transaktionsvolumen von 940 Mio. Euro resp. 720 Mio. Euro aus. Bei dieser Betrachtung gilt es aber zu bedenken, dass Geschäftshäuser in den Top-Einkaufslagen neben Einzelhandel meistens noch Büros, Wohnungen oder Arztpraxen beherbergen, so dass fast alle dem Segment Mischobjekte zugeordnet werden müssten. Nur die großen Mode-Kaufhäuser, Warenhäuser und innerstädtischen Shopping-Center sind reine Handelsimmobilien.
Bei Einbeziehung der oben genannten großen Transaktionen war das Segment Geschäftshäuser laut BNPPRE, CBRE und Savills die stärkste Anlageklasse. Savills beziffert das Investitionsvolumen mit mehr als 1 Mrd. Euro. CBRE sieht den Anteil am Transaktionsvolumen mit Handelsimmobilien bei 47%. Nach der Finanzkrise waren es auch die Geschäftshäuser, die als erste wieder Tritt fassten. Mit Blick auf die Insolvenzen in der Signa Gruppe sind in der nächsten Zeit in diesem Segment noch weitere prominente Transaktionen zu erwarten. Zudem erwartet Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers, dass demnächst vermehrt Produkte von Investoren, die auf Grund von Wertabschreibungen oder Refinanzierungsbedarf unter Verkaufsdruck geraten, auf den Markt kommen. Wie etwa der Verkauf eines Einzelhandelsportfolios der Deutschen Konsum REIT.
Auf dem zweiten Platz fanden sich mit einem Anteil von 45% laut CBRE lebensmittelgeankerte Fachmärkte und Fachmarktzentren. Im Jahr 2023 hatten sie mit 58% auf dem Spitzenplatz gestanden. Vor allem bei Super-/Lebensmittelmärkten registrierte Savills im ersten Quartal jedoch einen spürbaren Einbruch von über 50%, der laut Hablizel aber vor allem auf die Produktknappheit zurückzuführen ist: „Denn Food-Retail steht bei fast allen Investoren auf der Agenda, und die Zahl der Investoren dürfte tendenziell weiter steigen“, so seine Prognose. Auch BNPPRE geht davon aus, dass die Investmentaktivitäten im Fachmarktsektor im Jahresverlauf an Marktanteilen gewinnen werden.
Die Verkaufsbereitschaft ist noch gering
Gleichzeitig beobachtet Savills bei den großen Bestandshaltern eine geringe Verkaufsbereitschaft. Und auch die Lebensmittelhändler treten mit Blick auf die Entwicklung der Mieten – Stichwort: Indexmieten – immer häufiger selbst als Investoren auf, um die Mietbelastung im Griff zu behalten. Auch dadurch reduziert sich laut Savills das ohnehin knappe Angebot. Daraus schlussfolgert Rebecca Hummel, Senior Consultant Research bei Savills Germany, dass die Preise für Nahversorger perspektivisch bald wieder steigen könnten – nicht zuletzt auch deshalb, weil die Lebensmittelhändler in der Lage seien, ein oder zwei Faktoren mehr zu zahlen, genauso wie neue Investoren, die sich dadurch den Markteintritt sichern wollten. Erwähnenswert ist in diesem Segment laut Colliers der Kauf von vier großflächigen Supermärkten und vier Baumärkten für rund 200 Mio. Euro durch ORES Germany, ein Vehikel der portugiesischen Sonae Sierra und der spanischen Bankinter.
Das Geschäft mit Shopping-Centern ist dagegen im ersten Quartal 2024 nicht angesprungen. Savills errechnete hier ein Transaktionsvolumen von nur 36 Mio. Euro. Im Vorjahr hatte noch die Aufstockung ihrer Beteiligung an fünf deutschen Shopping- Centern durch die Deutsche Euro Shop den Markt belebt. Die Gründe für die Zurückhaltung sind laut Hablizel vielschichtig: Neben der Tatsache, dass die Objektvolumina vieler Center derzeit die Investitionsgrenzen vieler Investoren übersteigen, wird die Lage noch durch die schwierigen Finanzierungsbedingungen verschärft. Auch stimmen die Preisvorstellungen von Verkäufern und Käufern oft nicht überein, wie der Experte aus abgebrochenen Transaktionen schließt. Und für Zugeständnisse sei der Verkaufsdruck offenbar nicht groß genug. Mit Blick auf die aktuell nur geringe Zahl von risikoaversen Käufern mit geringen Renditeanforderungen geht Hablizel davon aus, dass ein Verkauf nur über den Preis realisierbar sein dürfte.
Stabil blieben zu Jahresbeginn nach Beobachtung von CBRE die Spitzenrenditen in allen Segmenten. Für Christoph Scharf zeigt die Entwicklung der Spitzenrenditen, dass sich die Preisanpassungsprozesse inzwischen weniger dynamisch gestalten. Gemessen am Jahresauftaktquartal 2023 hat sich das Niveau allerdings deutlich erhöht, was zeigt, wie stark sich die Preise schon angepasst haben. Dass die Spitzenrenditen von Lebensmittelmärkten nur um 0,2 Prozentpunkte auf 4,7% stiegen, belegt die Beliebtheit dieser Anlage-Klasse. Die Renditen lagen sogar unter dem Durchschnittswert von innerstädtischen Geschäftshäusern in den Top-7-Städten mit 4,84% (+0,75 Prozentpunkte).
Die Spitzenrenditen von Fachmarktzentren erhöhten sich um 0,5 Prozentpunkte auf 5%. Colliers sieht die Renditen von Fachmarktzentren mit Lebensmittelanker sogar bei 5,7% und registriert, dass die Renditeanforderungen mit zunehmender Objektgröße und abnehmendem Lebensmittelanteil deutlich steigen.
Beim Blick aufs Gesamtjahr 2024 hält Schönherr ein Transaktionsvolumen von 5 Mrd. bis 7 Mrd. Euro für möglich, sofern im Rahmen der Marktbelebung großvolumige Mischobjekte oder Shopping-Center verkauft werden können. 2022 hatte das Transaktionsvolumen noch bei 9,4 Mrd. Euro gelegen. Die weitere Belebung des Einzelhandelsinvestmentmarkts wird laut Schönherr von der Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) abhängen. Mit ersten Zinssenkungen rechnet Jan Linsin, Head of Research bei CBRE, aber nicht vor dem Sommer.
Buhlemann geht davon aus, dass die Erwartungen einer ersten Zinssenkung der EZB in diesem Jahr bei vielen Akteuren bereits verankert sind. Er gibt aber auch zu bedenken, dass das Zinsniveau auch danach – gemessen am Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021 – hoch bleiben wird. Damit bleiben Refinanzierungs- und Investitionsbedarf für die Branche eine Herausforderung. So wird laut Hablizel die Entwicklung der Transaktionsaktivität maßgeblich davon abhängen, wie stark die Bestandshalter unter Verkaufsdruck geraten. Ihnen stünden dann viele Käufer gegenüber, die auf noch günstigere Preise warteten. Das könnte die Transaktionsdynamik dämpfen.