Leerstandsmanagement der Kommunen

Aktives Kümmern ist das Wichtigste

Die Pandemie hat das Leerstandsproblem verschärft. Foto: R.Vierbuchen

Die Zwangsschließungen zur Pandemie-Bekämpfung haben von dem betroffenen Einzelhandel und den Innenstädten einen hohen Tribut gefordert. Abzulesen ist das an den starken Umsatzeinbrüchen in einigen Branchen. Aber auch die Zahl der Ladenschließungen in Städten und Gemeinden ist unübersehbar. In seiner Städtebefragung 2022 hat das EHI Retail Institute auch die Sichtweise von Städten und Gemeinden zu Themen wie Leerstand, die Entwicklung der Einzelhandelsflächen und geplante Maßnahmen zur Frequenzsteigerung eingefangen.

Dabei registrierten nach den Worten von StudienleiterinKristina Pors fast 70% der befragten Kommunen in ihren Innenstädten einen Rückgang bei der Zahl der Geschäfte. Vor allem in den Innenstadtlagen und Fußgängerzonen, die mit ihrem hohen Nonfood-Anteil an Textil- und Schuhgeschäften, Schmuckläden und Buchhandlungen von den Zwangsschließungen besonders betroffen waren, beobachtete das Gros (68%) Ladenschließungen. In den Stadtteillagen mit ihren Nahversorgungsangeboten, die zum Teil davon profitierten, dass viele Bundesbürger hier im Homeoffice arbeiteten, lag der Anteil mit 47% um einiges niedriger.

Für das Whitepaper „Aktuelle Entwicklungen des Einzelhandels – aus Sicht der Städte und Gemeinden“ hatte das EHI Retail Institute in Köln im März 2022 mithilfe eines Online-Fragebogens bundesweit mehr als 300 Kommunen angeschrieben. Am Ende blieb ein durchschnittlicher Stichprobenumfang von 75 Kommunen. Besonders stark vertreten in der Befragung sind Mittelstädte mit 20 000 bis 100 000 Einwohnern. Sie machen den größten Teil aus. Auf Kleinstädte bis 20 000 Einwohner entfallen 5,5%, auf Metropolen ab 500 000 Einwohner 6,8% und auf Großstädte mit 100 000 bis 500 000 Einwohnern 32,8%. Regional lag der Schwerpunkt auf Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Mit Blick auf die Größenordnung schätzen 46% der Befragten den durchschnittlichen innerstädtischen Leerstand im Einzelhandel während der Pandemie in ihrer Kommune auf 5% und 38% schätzen ihn auf 10%, während 14% sogar einen Leerstand von bis zu 15% beobachten.

Beim Blick auf die einzelnen Lagen zeigt sich auch hier, dass die Probleme in den Stadtzentren respektive den Fußgängerzonen besonders ausgeprägt waren: Aus Sicht der Mehrheit (54%) der Befragten sind während der Pandemie 5% der Läden geschlossen worden und 13% befürchten sogar den Verlust von bis zu 10% der Geschäfte. In den Stadtteillagen liegen die Zahlen bei 38%, die einen Verlust von 5% der Shops und 6%, die den Verlust von 10% der Shops befürchten.

Die Stadtzentren waren besonders betroffen

Durchwachsen, aber nicht ganz so negativ wie in den Innenstädten, wird die Lage in den Shopping-Centern beurteilt. Zwar ist die Zahl der Befragten, die bei den Läden einen Rückgang von bis zu 10% befürchtet, mit 18% der Befragten unter allen Einzelhandelslagen am höchsten, doch beobachten nur 31% hier einen Rückgang von 5% und 49% beurteilen die Lage in den Shopping-Centern immerhin als stabil. In den Highstreet-Lagen sind das nur 29%.

Eine Sonderstellung nehmen bei der Befragung die meist autofreundlichen Fachmarktlagen mit ihrem Nahversorgungsangebot ein. Den Verlust von bis zu 10% der Läden befürchten nur 5% der Befragten und nur 14% befürchten, dass bis zu 5% der Geschäfte verloren gehen. Die überwiegende Mehrheit (73%) beurteilt die Lage hier aber als stabil und 5% sehen Raum für weitere Verkaufsflächen.

Auch bei der Frequenz beurteilt die Mehrheit (54%) diese Lagen als stabil und 13% können sich vorstellen, dass der Besucherstrom noch zunehmen wird. Dagegen verzeichneten die Innenstadtlagen während der Pandemie die höchsten Frequenzrückgänge. Nur 11% der Befragten bezeichneten die Frequenz hier als stabil. In den Stadtteillagen waren das immerhin 41% und in den Shopping-Centern 35%. Laut EHI-Whitepaper berichtete aber keine Kommunen von Frequenzrückgängen, die den Wert von 50% überschritten hat.

Klar ist den Verantwortlichen in den Städten und Gemeinden jedoch, dass sie beim Thema Leerstand und Frequenz gegensteuern müssen, um die Attraktivität ihrer Innenstädte zu erhalten. Denn auch wenn das Geschäft in den Fachmarktlagen während der Pandemie gut gelaufen ist, so sind die Innenstädte mit ihrem typischen Einzelhandelsangebot dadurch nicht zu ersetzen. Attraktive Mode-Angebote laufen in den oft preisorientierten Fachmarkt-Lagen nicht unbedingt. Und meist erwarten die Kunden eine umfangreiche Auswahl an unterschiedlichsten Marken. Zudem sind die Innenstädte als soziale Treffpunkte mit ihrer Mischung unentbehrlich, was wiederum die wachsende Bedeutung der Gastronomie hervorhebt.

Aktives Geschäftsflächen-Management

Vor diesem Hintergrund betreiben 48% der befragten Kommunen laut Whitepaper ein „aktives Geschäftsflächen-Management“ und die Mehrheit aus dieser Gruppe (77%), erfasst die Leerstände systematisch und digital, um mit den Daten aktiv arbeiten zu können. „Wichtige weitere Maßnahmen, um die Leerstandsquote niedrig zu halten, sind Austausch, Dialog und Zusammenarbeit mit den Akteuren sowie das Nutzen von Förderprogrammen“, ergab die EHI-Umfrage.

Deutlich mehr als ein Drittel (37%) der Kommunen mieten auch leerstehende Verkaufsflächen an, um Zwischenmieter oder neue Mieter zu gewinnen, denn die negativen Dominoeffekte auf den Einzelhandel in der Nachbarschaft bei Leerstand sind hinlänglich bekannt. Aber nur eine Minderheit von 10% ist gleich zum Kauf von leerstehenden Handelsimmobilien bereit. Weitere 10% kaufen Objekte an und subventionieren die Miete für die Einzelhändler.

„Wir betreiben nicht nur ein Förderprogramm und machen Pop-up-Stores, sondern stehen in engem Kontakt mit unseren inhabergeführten Einzelhändlern“, berichtet einer der Befragten: „Außerdem fördern wir Ansiedlungen seit über zehn Jahren. Aktives Kümmern ist das Wichtigste!“ Andere berichten, dass sie schon vor Corona ein langfristiges Innenstadtentwicklungskonzept und eine Vorkaufsrechtsetzung hatten.

Auch der kontinuierliche Austausch mit den innerstädtischen Akteuren wie dem Einzelhandel und den Immobilieneigentümern steht bei vielen auf der Agenda. Wichtig ist zudem die finanzielle Unterstützung im Rahmen von Förderprogrammen. Einige Kommunen haben eine Fördermittelberatung für den Einzelhandel eingerichtet. Andere unterstützen die Branche bei der Digitalisierung. Und nicht vergessen wird auch die Bedeutung eines attraktiven öffentlichen Raums für eine anziehende Innenstadt. In diesem Kontext investieren Kommunen auch über die reine Instandhaltung hinaus in bauliche und Infrastrukturmaßnahmen, um ihre City zu verschönern.

Nur wenige Kommunen kaufen Handelsimmobilien

35% der Befragten gaben an, dass sie offen sind für die Förderung von Micro-Hubs, also innerstädtische Logistik-Depots für die Feinverteilung online bestellter Ware. Denn gemäß einer Erhebung des EHI bedienen immer mehr Einzelhändler den neuen Trend zum Quick Commerce, worunter die Warenlieferung innerhalb einer Stunde verstanden wird. Dabei setzt die Branche vermehrt auf Micro-Hubs als Schnittstelle zur letzten Meile. Besonders geeignet ist das Konzept bei empfindlicher Ware wie Lebensmitteln.

Einig sind sich die Verantwortlichen bei den Maßnahmen zur Steigerung der innerstädtischen Frequenz. Hier gelten Veranstaltungen und Events im öffentlichen Raum bei 93% der Befragten als probates Mittel, um die Menschen zum Besuch der Innenstädte zu animieren. Auch die Bereitstellung von kostenfreien Parkmöglichkeiten (29%) und der kostenfreie Eintritt in öffentliche Einrichtungen wie innerstädtischen Museen (26%) gelten als geeignet.

Die überwiegende Mehrheit (87%) der Kommunen fördert auch verkaufsoffene Sonntage, die bei den Bürgern sehr beliebt sind, die aber in den vergangenen Jahren nicht selten in letzter Minute durch die Intervention der Gewerkschaften verhindert wurden.

Ein großes Thema ist auch für Kommunen die Umnutzung von innerstädtischen Einzelhandelsflächen, für die sich kein Einzelhändler mehr erwärmen kann. So gaben 10% der Befragten an, dass sie Einzelhandelsobjekte kaufen, um sie umzunutzen. Dabei gilt es darauf zu achten, dass die neuen Nutzungen die bestehenden Strukturen positiv beeinflussen. Nach Erkenntnis der Kommunen leisten Freizeit- und Entertainment-Angebote den besten Synergiebeitrag für Handelsimmobilien im Innenstadtbereich. 89% beurteilen diese Mischnutzung als „gut“ oder „sehr gut“. Dahinter folgt die Nutzung der Handelsimmobilien durch Büros mit 86% und die Mischung mit Wohnungen und sozialer Infrastruktur wie Kindergärten oder Arztpraxen mit jeweils 81%.

Beim Thema Nach- oder Umnutzungen von Einzelhandelsflächen beobachteten die Befragten am häufigsten (31%) die Umwandlung der Fläche in Wohnungen, gefolgt von Büros mit 14%. Eher selten ist die Nachnutzung der Flächen durch Anbieter von Freizeit und Entertainment (8%), durch Arztpraxen (6%) oder soziale Infrastruktur.

Bei einigen Kommunen geht das Engagement bei der Leerstands-Bekämpfung so weit, dass die Entwicklungsgesellschaft bei Interesse der Vermieter als Vermittler auftritt. Bei anderen ist der Ankauf von Leerstandsobjekten durch die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft ein Thema.