Investmentmarkt Retail

2021 fehlten die großen Übernahmen

Übernahmeobjekte Boulevard Berlin. Foto: Blum Partner

Nach einem unerwartet lebhaften Geschäft in den Sommermonaten, wodurch das Transaktionsvolumen mit Retail Assets in den ersten neun Monaten 2021 noch auf 7,3 Mrd. Euro (CBRE) getrieben wurde – trotz Endlos-Shutdown zu Jahresbeginn – hat sich die Hoffnung auf eine dynamische Jahresendrallye nicht erfüllt. Unter dem Strich wurde die angestrebt 10-Milliarden-Euro-Marke nicht erreicht. Es gibt aber Anzeichen, dass das Interesse vieler Investoren vor allem an Fachmarkt-Produkten mit Schwerpunkt Lebensmittel hoch bleiben wird.

Diese Schlussfolgerung leitet der Immobiliendienstleister JLL aus der Tatsache ab, dass immerhin 64% des Gesamtjahresvolumens auf dem deutschen Investmentmarkt für Handelsimmobilien im zweiten Halbjahr 2021 erzielt wurde. Auch Christoph Scharf, Geschäftsführerder BNP Paribas Real Estate GmbH (BNPPRE) und Head of Retail Services, erkennt beim genaueren Blick auf die Zahlen dieses positive Signal für die nächsten zwölf Monate. Nach seiner Rechnung entfielen mit einem Umsatz von gut 5,9 Mrd. Euro sogar 68% des Gesamtergebnisses auf die zweite Jahreshälfte, was gemessen am Vorjahresvolumen sogar ein Plus von 16% bedeutet. Zudem habe das Einzel-Deal-Volumen mit knapp 4,9 Mrd. Euro auf dem gleichen Niveau gelegen wie im Gesamtjahr 2020.

Schlussendlich limitierte vor allem das mangelnde Angebot an Fach- resp. Lebensmittelmärkten und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung die Entwicklung im Schlussquartal. Die von Produktmangel begrenzten Verkäufe von lebensmittelgeankerter Fachmärkten und Fachmarktzentren hätten nicht ausgereicht, die schon vor Ausbruch der Pandemie wegbrechenden großvolumigen Transaktionen von innerstädtischen Geschäfts- und Warenhäusern oder Einkaufszentren auszugleichen, stellt Colliers International in seiner Marktbetrachtung fest. Laut CEO Matthias Leube stehen Investoren großvolumigen Highstreet-Objekten oder Einkaufszentren derzeit noch sehr kritisch gegenüber.

Auch Jörg Krechky, Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, registriert ein selektives Ankaufprofil und die fortwährende Risikoaversion der Investierenden im Segment Handelsimmobilien sowie die Tatsache, dass sich der Nutzen- und Lastenübergang bei einigen großvolumigen Transaktionen auf das erste Halbjahr 2022 verlagern dürfte.

Ein weiterer Aspekt in einem Markt, in dem vor einigen Jahren noch Riesensummen für Schlüsselgeld geboten wurden, um sich gute Standorte zu sichern, der sich inzwischen durch die Digitalisierung jedoch in einem tiefgreifenden Strukturwandel befindet, sind die unterschiedlichen Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern bei innerstädtischen Geschäftshäusern und Shopping-Centern, worauf Fabian Klein, Head of Investment bei CBRE in Deutschland hinweist. Denn diese waren neben den strukturellen Herausforderungen laut Krechky die Leidtragenden der Zwangsschließungen. Klein: „Wir erwarten, dass sich im neuen Investmentjahr wieder eine höhere Dynamik mit realistischeren Marktpreisen einstellen wird.“

Mehr Zuversicht bei Shopping-Centern

Ein Indiz dafür ist aus seiner Sicht die wieder nachgebenden Renditen für diese Asset Klassen. Die Investoren seien mit Blick auf die Performance vor allem von Shopping-Centern wieder zuversichtlicher, meint er. Dafür könnte auch die laut Cushman & Wakefield (C & W) größte Einzeltransaktion des vierten Quartals, der Verkauf des Shopping-Centers Boulevard Berlin mit 76 000 qm in der Schloßstraße durch die französische Klépierre an York Capital Management, Dunman Capital Partners und Castlelake sprechen.

Insgesamt beziffern die Immobiliendienstleister das Transaktionsvolumen mit Handelsimmobilien 2021 in der Bandbreite von 7,2 Mrd. Euro (Cushman & Wakefield) über 8,1 Mrd. Euro (Colliers International), 8,5 Mrd. Euro (JLL), 8,7 Mrd. Euro (BNP Paribas Real Estate), 8,9 Mrd. Euro (Savills) bis hin zu 9,537 Mrd. Euro von CBRE – nach 12,273 Mrd. Euro im Jahr 2020, das von einigen großen Transaktionen zum Jahresstart geprägt war. Damit wurde der Fünf-Jahres-Schnitt von etwa 10,2 Mrd. Euro laut Colliers unterschritten.

Auf dem deutschen Gewerbeimmobilienmarkt mit einem Transaktionsvolumen von – je nach Immobiliendienstleister – 58,8 Mrd. Euro (Savills) über gut 60 Mrd. Euro bis hin zu 64,1 Mrd. Euro (BNPPRE) erreichen Retail Asset damit nurmehr den dritten Platz. Das nicht zuletzt vom Online-Handel befeuerte Logistikimmobilien-Segment hat sich mit etwa 9,9 Mrd. Euro vorerst auf Platz zwei vorbeigeschoben.

Dass das Transaktionsvolumen deutlich hinter dem Vorjahreswert zurückblieb, begründet Jan Dirk Poppinga, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, mit der geringen Zahl von großvolumigen Anteils- und Unternehmensübernahmen, die in früheren Jahren – wie auch 2020 – immer wieder größere Transaktionsvolumina mit sich brachten sowie mit dem geringeren Engagement internationaler Käufer, die größere Summen investieren, deren Anteil aber auf etwa 30% gesunken ist. Diesen Zusammenhang zeigt laut Poppinga auch der Blick auf die Anzahl der Transaktionen, die nämlich 2021 auf einem ähnlichen Niveau wie in den Vorjahren lag. Und Colliers weist darauf hin, dass im Vorjahr noch zehn Deals im Volumen von jeweils etwa 250 Mio. Euro gezählt wurden, 2021 waren es gerade einmal vier mit einem Gesamtvolumen von etwa 2 Mrd. Euro.

Gleichzeitig stand dem großen Interesse vieler nationaler und internationaler Investoren an Fach-, Bau- und vor allem Lebensmittelmärkten ein geringeres Angebot an verfügbaren Objekten gegenüber. Hinzu kommt aus Sicht von Poppinga: „Während die besonders stark nachgefragten Lebensmittelmärkte durch eher kleinere Losgrößen charakterisiert sind, fehlten großvolumige Einzeltransaktionen, insbesondere im Segment der Shopping-Center.“ Hier war der Markt eher von Value-Add-Transaktionen mit kleineren Volumina geprägt, wie Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland ergänzt.

Auch mit Blick auf die Tatsache, dass der Lebensmitteleinzelhandel zum einen von den Zwangsschließungen zur Pandemiebekämpfung ausgenommen war und zum andern mit Blick auf die Schließung der Gastronomie von den Restriktionen noch profitierte, bildeten Fachmärkte und Fachmarktzentren mit Schwerpunkt Nahversorgung erneut die gefragteste Asset-Klasse. Laut CBRE erhöhte sich ihr Anteil am Transaktionsvolumen 2021 – gegenüber dem Vorjahr – nochmals um 8,3 Prozentpunkte auf 60% oder 5,7 Mrd. Euro. Davon entfielen 2,4 Mrd. Euro auf Discounter, Super- und Verbrauchermärkte sowie SB-Warenhäuser.

Alles dreht sich um Lebensmittelmärkte

Jan Eckert, Head of Capital Markets bei JLL Germany, Austria und Switzerland sieht den Anteil der Fachmärkte, Supermärkte, Discounter und überwiegend Lebensmittel-geankerte Fachmarktzentren mit 6 Mrd. Euro sogar bei über 70%. Laut Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers, zeigen die drei größten Abschlüsse aus dem dritten Quartal 2021 – das SB-Warenhausportfolio mit 34 revitalisierten Real-Märkten, das 12 Fachmarktzentren umfassende Touchdown-Portfolio und das Supermarktportfolio Powerbowl –, dass Portfolien mit krisensicheren Ankermietern als „absolutes Core-Produkt“ sehr begehrt sind.

Die große Popularität dieser Anlage-Klasse schlägt sich aber zunehmend in steigenden Kaufpreisen und sinkenden Renditen nieder. So registrierte Savills bei Supermärkten den stärksten Rückgang der Anfangsrenditen binnen Jahresfrist von 4,5% auf 3,2%. Bei Fachmarktzentren registrierten JLL, Savills und BNPPRE einen Rückgang um 40 Basispunkte auf 3,50%.

Anne Gimpel, Senior Director Valuation Advisory Services bei CBRE, stellte seit Ende 2020 bei den Spitzenrenditen von Lebensmittelmärkten einen Rückgang um 1,2 Prozentpunkte auf 3,6% fest und bei Baumärkten um 0,8 Prozentpunkte auf 4,3%. Fachmarktzentren sieht sie auch noch bei 3,6%. Damit liegen die Renditen aber immer noch über den Spitzenrenditen etwa von Logistikimmobilien an A-Standorten, die laut JLL gegenüber dem dritten Quartal um 20 Basispunkte auf 3,00% nachgegeben haben. BNPPRE-Geschäftsführer Scharf erwartet für 2022 jedoch, dass sich die Renditekompression bei Fachmärkten fortsetzt, wobei Anne Gimpel davon ausgeht, dass sie geringer ausfallen wird als 2021.

Im Gegensatz dazu stagnieren laut Savills die Spitzenrenditen von Shopping-Centern bei 5,0%, während Geschäftshäuser sogar einen Anstieg um 20 Basispunkte auf 3,1% verzeichneten. BNPPRE registrierte bei Geschäftshäusern in den vergangenen zwölf Monaten dagegen nur eine Seitwärtsbewegung. Diese Entwicklung korrespondiert mit den sinkenden Anteilen der Asset-Klassen am Transaktionsvolumen. So ermittelte CBRE für Geschäftshäuser mit 1,9 Mrd. Euro ein Volumen, das gegenüber 2020 um 7,2 Prozentpunkte auf einen Anteil von 19,5% zurückgegangen ist. Der Anteil von Einkaufszentren mit 930 Mio. Euro ging um 2,4 Prozentpunkte auf 9,8% zurück.

Mangelndes Angebot begrenzt Investmentmarkt

Bei Shopping-Center werden laut Krechky „vornehmlich Objekte mit klarem Repositionierungsbedarf“ gehandelt, was er als erstes Indiz für die Wiederbelebung dieses Segments wertet. Zudem wagt er die Prognose, dass „auf Grund des anhaltenden Restrukturierungsdrucks im Einzelhandel vom zunehmenden Verkauf solcher Objekte auszugehen“ ist. So werde auch 2022 vom Strukturwandel im Einzelhandel und dem Wettstreit um Nahversorgungsobjekte geprägt sein. Krechky erwartet einen moderaten Anstieg des Transaktionsvolumens.

Und Poppinga geht von einem unvermindert „aktiven Marktgeschehen“ aus. Entscheidend sei dabei, wie sehr es gelinge, für die starke Nachfrage nach Fach- und Lebensmittelmärkten adäquate Kaufobjekte zu finden. Hoffnung schöpft auch Schönherr für das Shopping-Center-Segment, da viele Eigentümer ihre Objekte in den vergangenen Monaten durch ein aktives Asset-Management neu aufgestellt und mit ihren Mietern nachhaltige Verträge abgeschlossen hätten. Diese Stabilisierung in Verbindung mit einem – gemessen an alternativen Produkten – attraktiveren Renditeniveau sollte laut Schönherr „den Transaktionsmarkt für diese Objekte über alle Risikoklassen im Shopping-Center Bereich wiederbeleben“.