25. Mapic in Cannes

08/15 funktioniert bei Retail Assets nicht mehr

rv DÜSSELDORF. Unter den 8 200 Teilnehmern aus 80 Ländern, die 2019 vom 13. bis 15. November den Weg zur 25. Mapic, dem International Retail Property Market in Cannes, gefunden haben, waren nach Angaben des Veranstalters Reed Midem etwa 2 000 Einzelhändler, 2 200 Entwickler und 1 300 Investoren. Das Wetter über dem Palais des Festivals an der Croisette zeigte sich unentschlossen, ab und zu gab es dunkle Wolken und am zweiten Tag sogar ein ordentliches Gewitter.

„Das unentschlossene Wetter bei der diesjährigen Mapic spiegelt die Stimmung der Besucher wider“, konstatiert Leif Krägenau, Standortleiter Hamburg bei der BBE Handelsberatung. Während die Besucher in den vergangenen Jahren noch vor Zuversicht strahlten, hatten die dunklen Wolken, die ab und zu über der Croisette in Cannes auftauchten und das Gewitter durchaus symbolischen Charakter. „Klar wurde auf dieser Mapic erneut“, so Krägenau: „08/15 funktioniert nicht mehr und ein Shopping-Center darf zukünftig nicht auf Kunden abzielen, sondern muss Gäste empfangen“. Dieser hohe Anspruch zieht sich nach seiner Beobachtung durch alle Bereiche über das reine Einkaufen hinaus in die Freizeit- und die Lebensgestaltung hinein.

Kurz gesagt: Der Trend - nach dem stereotypen Massenkonsum auf großen Verkaufsflächen - heute in den stationären Geschäften wieder mehr den Menschen und seine sozialen Bindungen in den Mittelpunkt zu rücken, fand auf der 25. Mapic seinen Widerhall. Denn den preisgünstigen Massenkonsum von Standardware kann der Online-Handel im Zweifelsfall günstiger bedienen. Hinzu kommt, dass so mancher Einzelhändler mit Blick auf die Digitalisierung heute die Expansion und die Flächengröße überdenkt, so dass etwa in Shopping-Centern für die frei werdenden Flächen neue Ideen für andere Nutzungen wie Wohnen, Büros oder Freizeit, gefragt sind, die für zusätzliche Frequenz sorgen.

So waren laut Krägenau denn auch die wenigen Projektvorstellungen, die auf der Messe präsentiert wurden, eher komplette Quartiersentwicklungen - Stichwort: Mixed Use - die Leben, Wohnen und Einkauf direkt verbinden: „Beispiele sind das Cherrywood Town Center in Dublin von Hines, das Quartier St. James im Herzen von Edinburgh von Nuveen oder das Cost del Sol in Torremolinos von Intu.“

Mischnutzung war auch in Cannes beherrschendes Thema

Das Thema Mischnutzung, über das in der Branche allenthalben diskutiert wird, war denn auch auf der Mapic das beherrschende Thema. Einzelhandelsstandorte setzen auf eine lebendige Umgebung, die die täglichen Aktivitäten der Menschen miteinander verbindet - Arbeit, Freizeit, Sport, Kultur, Tourismus, Entspannung und natürlich auch Einkaufen. Das Ergebnis sind laut Christian Dubois,Leiter Einzelhandelsservices bei Cushman & Wakefield, „urbane Dörfer“.

Grundlage für den neuen Trend zum „Erlebnis beim Einkaufen“ und „belebten Handelsstandorten“ ist die neue Definition von „Einzelhandel“, wie sie im jüngst vom Messeveranstalter Reed Midem veröffentlichten Whitepaper umschrieben wurde: „Shopping is dead, long live hosping“ - der „Einzelhandel ist tot, lang lebe die Gastlichkeit“. Der Begriff „Hosping“ setzt sich zusammengesetzt aus den englischen Begriffen „Hospitality“ und „Shopping“ und weist damit in die Richtung, in die es heute für den stationären Einzelhandel in Abgrenzung zum nüchternen Online-Handel gehen muss: „From Transaction to Relationship-Making“, wie es in neudeutsch heißt: vom Handel treiben zum Kontakte knüpfen. Oder anders formuliert: Einkaufen in gastlicher Atmosphäre.

Dieser Wandel im Einzelhandel zeitigt laut Weißbuch auch das Ende der Regeln, die früher die Gestaltung von Shopping-Centern bestimmt haben. Heute müssen Einkaufszentren und ihre architektonische Gestaltung mit Ruhezonen die Aufgabe übernehmen, eine emotionale Verbindung zwischen den Handelsmarken einerseits und ihren Kunden andererseits herzustellen.

Aus Sicht des Messeveranstalters kommen an diesem Punkte die Architekten und Designer immer stärker ins Spiel. Deren Rolle, Orte zu gestalten, die die Phantasie anregen und neue Erlebniswelten schaffen, gewinnt in Shopping-Centern an Bedeutung. Aber auch für den Einzelhandel wird es immer wichtiger, um seine Sortimente herum eine angenehme Atmosphäre zu gestalten. Auf der Mapic spiegelte sich der Trend auch darin wider, dass etwa 300 Architekten und Designer präsent waren.

Und mit Blick auf das Thema Mischnutzung beauftragen laut Reed Midem viele Entwickler führende Architektur- und Designbüros damit, einzigartige, flexible und skalierbare Räume zu konzipieren, die sich sowohl an den Ansprüchen der Verbraucher als auch an den Bedürfnisse des Einzelhandels orientieren. So sollen die multifunktionalen Flächen für andere Nutzungsarten wie Freizeit, Catering, Co-Working, Sport und Dienstleistungen geschaffen werden.

Architekten und Designer werden immer wichtiger

Mit Blick auf diesen gravierenden Wandel sind es laut Krägenau derzeit auch weniger die Neuentwicklungen, die die Branche umtreiben, als vielmehr die anstehenden und zukünftigen Refurbishments, „denn für viele Center dürfte eine Neupositionierung angezeigt sein, bei der die spezifischen Potenziale aufgegriffen und die neuen Ansprüche der Händler und Gäste etabliert werden müssen“. Dazu braucht es aus seiner Sicht „Kreativität, Mut und auch eine finanzielle Unterfütterung“. In diesem Kontext konzentrierte sich die Mapic auf „die Transformationskraft von Einzelhandelsdestinationen“, was bei den Einkaufszentren beginnt und bis hin zu „Standorten mit echtem Erlebniswert“, die eine Kombination von Gastronomie, Freizeit, Kunst, Kultur, Unterhaltung, Wohlfühl-Angebote und Mode bieten.

Zu den präsentierten Elementen solcher individualisierter Angebote gehören Helligkeit und Transparenz (durch Atrien und Glasdächer), hochwertige Materialien, die Integration von Pflanzen, etwa Gründächer wie im Beaugrenelle oder Indoor-Gärten wie im Funan-Einkaufszentrum von Capita Land und eine anspruchsvolle Landschaftsgestaltung wie beispielsweise für die Compagnie de Phalsbourg, die nicht nur einladend ist, sondern auch umweltfreundlich. Ein weiteres wichtiges Element in Einkaufszentren ist heute auch die Kunst.

„Trotz all dieser Herausforderungen waren sich Einzelhändler, Investoren, Entwickler und Finanzierer einig, dass langfristig vor allem Konzepte mit Multi-Channel-Vertrieb erfolgreich sein werden“, fasst Krägenau die Stimmung zusammen. Und Shopping-Center würden als Treffpunkt immer eine wichtige Funktion behalten. Oder anders ausgedrückt: „Als Plattform, um ,traffic und connectivity‘ zu seiner Zielgruppe zu generieren, bleibt das Center ein wichtiger Touchpoint in der Customer Journey.“

Aus Sicht des Standortleiters dürfte trotz all dieser „technischen“ Diskussionen der Begriff Service künftig im Mittelpunkt stehen: „Viele Händler haben erkannt, dass die Qualität des Personals, also der Faktor Mensch, von höchster Bedeutung für den Erfolg eines Ladens, aber auch des Markenimages insgesamt ist.“